Wie hat Beethoven
Klavier gespielt?
Beethoven war in jungen
Jahren zunächst als Klaviervirtuose bekannt und berühmt.
Schon mit 8 Jahren (nicht mit 6, wie sein Vater verbreiten ließ)
trat er als Solist in einem Konzert in Köln auf.
Sein Bonner Klavierlehrer
Christian Gottlob Neefe schreibt am 24.12.1782 in "Carl Fr.
Cramers Magazin der Musik": "Louis van Beethoven, Sohn
des oben angeführten Tenoristen, ein Knabe von elf Jahren,
und von vielversprechendem Talent. Er spielt sehr fertig und mit
Kraft das Clavier, liest sehr gut vom Blatt, und um alles in einem
zu sagen: Er spielt größtenteils das wohltemperierte
Clavier von Sebastian Bach, welches ihm Herr Neefe unter die Hände
gegeben."
Carl Czerny, der einer seiner bekanntesten Schüler und später
der berühmteste Klavierpädagoge des 19. Jahrhunderts
war, schreibt: "Beethoven war in seiner Blütezeit einer
der größten Pianisten und im Vortrag des gebundenen
Spiels, im Adagio, in der Fuge und in seinen Improvisationen unübertrefflich."
1791, im Todesjahr Mozarts, schildert der Schriftsteller und Musikliebhaber
Carl Ludwig Junker Beethovens Spiel: "Man kann die Virtuosengröße
dieses lieben, leise gestimmten Mannes, wie ich glaube, sicher
berechnen nach dem beinahe unerschöpflichen Reichtum seiner
Ideen, nach der ganz eigenen Manier des Ausdrucks seines Spiels,
und nach der Fertigkeit, mit welcher er spielt. Ich wüßte
also nicht, was ihm zur Größe des Künstlers noch
fehlen sollte. Ich habe Voglern auf dem Pianoforte...oft gehört,
und stundenlang gehört, und immer seine außerordentliche
Fertigkeit bewundert, aber Beethoven ist außer der Fertigkeit
sprechender, bedeutender, ausdrucksvoller, kurz, mehr für
das Herz; also ein so guter Adagio- als Allegrospieler. Sein Spiel
unterscheidet sich auch so sehr von der gewöhnlichen Art
das Klavier zu behandeln, daß es scheint, als habe er sich
einen ganz eigenen Weg bahnen wollen, um zu dem Ziel der Vollendung
zu kommen, an welchem er jetzt steht."
Beethoven, der Meister des Legato-Spiels. Das deckt sich mit dem,
was Carl Czerny berichtet: "Auch hat mir in späteren
Jahren Beethoven erzählt, daß er Mozart mehrmals spielen
gehört, und daß dieser, da zu seiner Zeit die Erfindung
des Fortepiano noch in ihrer Kindheit war, sich auf den damals
mehr gebräuchlichen Flügeln (Cembali) ein Spiel angewohnt
hatte, welches keineswegs für die Fortepiano paßte"
Er habe "ein feines, aber zerhacktes Spiel gehabt, kein ligato"
Es gab sogar anfangs in Wien zwei Lager: Die Anhänger des
Mozartsches Spiels (viele hatten ihn ja noch in Erinnerung, und
durch seine Schüler lebte sein Spiel quasi weiter), dessen
"Klarheit und Wohlgesetztheit" gerühmt wurde, und
die Bewunderer der Kraft, der Virtuosität und des starken
Ausdrucks mit seinen markanten Wechseln in der Dynamik bei Beethoven.
Abbé Josef Gelinek äußert nach einem pianistischen
Wettstreit mit Beethoven: "An den gestrigen Tag werde ich
denken! In dem jungen Menschen steckt der Satan. Nie habe ich
so spielen gehört! Er fantasiert auf ein von mir gegebenes
Thema, wie ich selbst Mozart nie fantasieren gehört habe."
Ferdinand Ries, Schüler und Freund Beethovens, später
selbst ein bekannter Klaviervirtuose, schildert, wie Beethoven
seine eigenen Werke spielte: "Im allgemeinen spielte er selbst
seine eigenen Compositionen sehr launig, blieb jedoch meistens
fest im Takte, und trieb nur zuweilen, jedoch selten, das Tempo
etwas. Mitunter hielt er in seinem Crescendo mit Rittardando das
Tempo zurück, welches einen sehr schönen und auffallenden
Effekt machte. Beim Spielen gab er bald in der rechten, bald in
der linken Hand irgendeiner Stelle einen schönen, schlechterdings
unnachahmlichen Ausdruck. Allein äußerst selten setzte
er Noten oder eine Verzierung bei." (Was bei Mozart ja noch
üblich gewesen war.)
Beethovens Handhaltung und Unterricht
Carl Czerny: "in den ersten Lekzionen beschäftigte mich
Beethoven ausschließlich nur mit den Scalen in allen Tonarten,
zeigte mir die damals den meisten Spielern noch unbekannte richtige
Haltung der Hände, der Finger und vorzüglich den Gebrauch
des Daumens - Regeln, deren Nutzen ich erst in weit späterer
Zeit in vollem Umfang einsehen lernte."
Therese Gräfin Brunsvik: "Er wurde nicht müde,
meine Finger, die ich enger zu strecken und flach zu halten gelehrt
ward, niederzuhalten und zu biegen."
Und nochmal Carl Czerny: "Er hielt beim Unterrichten sehr
auf schöne Fingerhaltung nach der Eman. Bachischen Schule,
nach der er mich unterrichtete. Er spannte selber kaum eine Decime.
Der Gebrauch der Pedale war bei ihm sehr häufig weit mehr,
als man in seinen Werken angezeigt findet. Einzig (=einmalig)
sein Vortrag der Händelschen und Gluck'schen Partituren und
der Seb. Bach-schen Fugen..."
(Beethoven hatte sich übrigens beim Wiener Adel mit Werken
der beiden großen Bache eingeführt.)
Die einsetzende Taubheit schließlich war es, welche die
Virtuosenlaufbahn Beethovens beendete und ihn sich fast ausschließlich
dem Komponieren und - Unterrichten widmen ließ.
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